30.10.2024
ANDACHT
Impuls zum Fest der Taufe des Herrn
von Pfarrer Matthias Cyrus
Eine neue Begegnung nach vielen Jahren steht im Fokus des Festes der Taufe Jesu. Johannes, der bei seiner Mutter Elisabeth im Bauch hüpfte, als Maria sie mit dem ungeborenen Jesusknaben besuchte. Beide sind Erwachsene geworden. Vom Werden beider wissen wir heute wenig.
Johannes tauft am Jordan. Damit setzt die Geschichte beider wieder ein. Er predigt den Menschen davon, dass Gottes Reich nahe ist. Für ihn und wohl auch viele, die ihn hören, heißt das: Gottes Gericht ist nahe. Er ruft die Menschen zur Umkehr, ruft sie dazu, sich wieder auf Gott auszurichten, für Gott wieder offen zu werden. Ein Bild dafür ist die Taufe, das Untertauchen im Wasser. So wie der Mensch äußerlich gereinigt wird, so wird er durch die Umkehr innerlich rein. So, wie der Mensch untergetaucht im Wasser nicht überleben kann, so werden die Mächte des Bösen, die Gedanken, die von Gott wegtreiben, die Hinwendung zu Gott nicht überleben.
Da kommt nun Jesus und will ebenfalls diese Taufe empfangen. Johannes weiß: Er hat sie doch gar nicht nötig. Eher umgekehrt. Johannes spürt es wohl in diesem Augenblick auch: Ich bin auch nicht überall und immer rein. So wie er sein Taufen versteht, wäre es ja fast eine Lüge, Jesus zu taufen. Der aber besteht darauf, er besteht darauf, sich schon hier am Anfang seines Wirkens den Menschen gleichzustellen, besonders denen, die solche Reinigung wirklich brauchen. Er geht den Schritt vor auf dem Weg zum Leben. Indem er es tut, offenbart Gott diesen Menschen Jesus als seinen Sohn. Eine Stimme vom Himmel spricht: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Die Erscheinung des Herrn geht weiter. Nicht nur die Ergriffenheit der Gottsucher erkennt ihn als den, der er ist, sondern Gott selbst spricht es aus: Gottes geliebter Sohn, von ihm gezeugt und sein Angesicht in dieser Welt von Anfang an.
Mit mir geht die Vorstellung, dass Jesus sich hier mit mir gleich macht und damit auch uns sich selbst gleich macht. Wenn auch meine Taufe anders ablief, wenn sie auch noch andere Bedeutungen hat, so finde ich das Großartige daran immer wieder: Gott spricht in der Taufe zu jedem Menschen: Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich mein Wohlgefallen. Sooft ich an mir, an der Welt und an Gott verzweifeln könnte, sooft kann ich mich darauf besinnen. Darum ist die Taufe wirklich der größte Moment im Leben des Christen. Martin Luther berichtete, er habe in den Momenten der größten Anfechtung vor sich hingeschrieben: Ich bin getauft! Das hieß für ihn auch: Ich gehöre zu Gott, auf ihn kann ich alles werfen, was mir zu schaffen macht und von ihm her habe ich mein Leben und kann getrost meine Wege gehen.
Ich bin sein geliebter Sohn, ich bin seine geliebte Tochter, an mir hat er sein Wohlgefallen. Diese Worte kann ich mir an jedem Morgen sagen, ich kann sie mit in mein persönliches Gebet, meine Betrachtung nehmen und dem nachspüren, was sie in mir bewirken. Ich darf gewiss sein: Wie Jesus in die Wasser des Jordan stieg und Gott ihn als seinen Sohn zeigt, so macht er mich auch zu einem Kind Gottes, für das er alles tun wird.
Liturgie zum 1. Sonntag nach Epiphanias
Gedanken zum Jahreswechsel
von Pfarrer Peter-Michael Schmudde
Über Silvester kommt die Tante aus Dessau. Sie mag keinen Karpfen und kein Geknalle. Und eigentlich geht sie früh ins Bett und stellt sich schon abends den Frühstücksteller nebst umgedrehter Tasse auf den Küchentisch. Aber Silvester will sie bei uns sein.(Allein traurig sein muss nicht sein.) Ein bisschen Anarchie im Alltag: Einmal im Jahr mit ganz vielen Menschen. (Wir sind fünf.) Einmal im Jahr lange aufbleiben. (Bis zwölf.) Und beim ins Bett gehen den Pumpenschlauch von der Waschmaschine aus der Badewanne schubsen. (Das ganze Haus hat getropft.) Oder mit kräftigem Händedruck die Klotür aus den Angeln heben. Einmal im Jahr. Alles anders.
Zu Weihnachten hat sie einen Brief geschrieben. Voller Vorfreude und Alltagsgeschichten. Und drunter stand: Wir sehen uns dann s. G. w.. Ausgeschrieben: So Gott will.
Und der kleine Junge, der ich damals war, hat sich immer lustig gemacht: Will sie nun kommen oder will das nur der liebe Gott? (Gottes Wille war damals nicht immer meiner.)
Heute weiß ich: Die Tante aus Dessau hatte eine Frömmigkeit, die ich gern hätte.
Als Tochter eines Missionars in Afrika hatte sie es von Kindesbeinen an und oft am eigenen Leib erfahren, dass ganz oft oder meistens – eigentlich immer - etwas anders werden kann als einer es sich vorgenommen hat. Und dies s. G. w. hieß nichts anderes, als dass sie immer annehmen musste, dass sich Dinge, Termine und Vorhaben durch Unvorhergesehenes ändern werden. Schön, dass bei den vielen Silvesterabenden selten etwas dazwischenkam.
Manchmal denke ich dieser Tage, dass mir dieses s. G. w. gut täte oder oft gut getan hätte. Zum Beispiel im Blick auf die ausgefertigten Pläne über alle Vorhaben des nächsten oder gar übernächsten Jahres. Natürlich ist es wichtig aufzuschreiben, was werden könnte. Aber: Habe ich bei allem nicht die Rechnung ohne meinen Gott gemacht? Rechne ich wirklich noch mit dem, der wirklich Herr über meine Zeit ist? Oder lasse ich ihn lieber draußen, weil er mir nicht in den Kram passt?
Die Tante aus Dessau – da bin ich sicher - hat auch an diesem einen Frühsommertag vor inzwischen schon zwölf Jahren ihr s. G.w. im Sinn gehabt. Sie hat nicht gewusst, dass sie von ihrem gewohnten Schwimmbadausflug nicht wieder nach Hause kommt. Aber, dass sie dort ankommt, wo sie hingehört, das hat sie gewusst. Und das hat sie erlebt. Da bin ich sicher. So Gott will.
Liturgie zum Altjahrsabend und Neujahr
Gedanken zur Weihnacht
von Superintendent Christian Beuchel
Am Abend über den dunklen Untermarkt in Mühlhausen zu gehen, ist etwas Besonderes. Ein Weg, den schon Johann Sebastian Bach zu seiner Orgel nahm. Heute steht und strahlt mitten in der Dunkelheit ein großer Weihnachtsbaum vor der Divi- Blasii- Kirche. Obwohl es nieselt und eher frühlingswarm ist, erfreut mich sein Anblick.
Die Tanne symbolisiert den Baum, an dem Eva und Adam im Paradies standen und von der Frucht der Unterscheidung von Gut und Böse aßen. Das Ende des paradiesischen Lebens begann damit und die Tore wurden bewacht. Weihnachten, so will dieser Brauch aufzeigen, ist die Rückkehr ins Paradies. Das Kind Jesus in der Krippe hat die Tür wieder geöffnet. Wir können eintreten in das Licht der Nähe Gottes.
Weihnachten hat etwas Paradiesisches. Kein Fest im Jahr stellt das Schöne, die Freude, die Zuneigung, die Gemeinschaft der Menschheitsfamilie im Großen wie im Kleinen so in den Mittelpunkt. Kinderaugen sehen wir, die sich freuen über die Geschenke der Eltern. Lautes Lachen ertönt am Tisch, wenn die Familie beisammen ist. Die Geschenke für Kleine und Große – sie zeugen von der Liebe. Viele Menschen spenden in dieser Zeit für andere Menschen. Mancher hat ein Lächeln für die gestresste Verkäuferin und gibt dem Paketboten Trinkgeld. Ich sehe in all dem Guten dieser Tage ein Zeichen des Paradieses.
Auf dem Weg über den Platz fallen mir die Worte des Propheten Jesaja ein: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“
Die Dunkelheit - so wie nur wenige Meter neben dem Baum auf dem Untermarkt - bedrängt uns weiter. Durch Zeit und Welt laufen wir nicht selten im Dunklen. Ich denke an die Finsternis des Krieges, an die Wut im gesellschaftlichen und politischen Miteinander, die Ungerechtigkeit zwischen reichen und armen Menschen. Die Angst um die Zukunft unserer Kinder und Enkel beschleicht mich manchmal. Ich lese von der Todesfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, der so hell in die winterliche Dunkelheit leuchtete und sehe die Berichte vom Geschehen. Höre von bösen Familienkonflikten, die zu Weihnachten aufbrechen.
Vor dem leuchtenden Weihnachtsbaum habe ich die Sätze des Propheten Jesaja im Ohr und sie machen mir Hoffnung, weil ich höre, dass die Welt nicht nur dunkel ist. Es sind Worte des Trostes, weil Gott mit uns auf dem Weg ist und weil sein Licht den Weg erleuchtet und das Ziel immer wieder sehen lässt. Das Ziel ist in diesen Tagen die Krippe mit dem Jesuskind und Maria und Joseph. Der Weg zum Paradies bleibt manchmal dunkel, doch das Ziel leuchtet uns entgegen und die Wärme macht die Welt heute schon ein Stück paradiesisch.
Die alte Geschichte von der Geburt Jesu, die in diesen Tagen so bunt erzählt wird, will uns die Zeichen des Paradieses nahebringen. Manchmal spielen die Kinder ein kleines Theaterstück am Heiligen Abend in der Kirche und Maria und Joseph, Engelchöre, Hirten, Wirte und Könige treten vor der Gemeinde auf. Bisweilen wird die Erzählung weit ausgeschmückt und Personen kommen dazu, die in der Bibel nur höchstens zu erahnen sind, wie die türenknallenden Wirte. Manchmal wird die Geschichte von der Geburt Gottes im Stall aus dem Lukasevangelium nur vorgelesen und mancher wundert sich, wie nüchtern sie erzählt wird. So verschieden die Formen auch sind, alle berichten davon, wie Gott in die Welt kommt und es hell wird, wenn er Menschen nahe ist.
Der ewige Weihnachtsbaum steht im Paradies und dies ist unser Ziel, daran will uns das Fest und die Geschichte von der Krippe erinnern. Amen
Christian Beuchel
Gebet
Barmherziger Gott, lieber himmlischer Vater,
wir preisen dich für die Geburt deines Sohnes.
In ihm leuchtet deine Liebe. Durch ihn berührt uns deine Gnade.
Von ihm kommt dein Heil zu uns.
Wir bitten dich für deine Kirche in der ganzen Welt,
für alle, die heute die Geburt deines Sohnes feiern:
Erfülle deine Kirche mit Freude und Glanz und Schönheit.
Lass deine Wärme spürbar werden in allen Gemeinden,
auch dort, wo es gerade kalt und dunkel ist.
Wir danken dir, Gott, dass du in Jesus Christus bei uns bist,
und wir deine Herrlichkeit sehen dürfen.
Hilf uns, in deinem Licht zu leben.
Dir sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Alexandra Dierks
Andacht zum 3. Advent von Pfarrer Benjamin Themel
I. Immer unterwegs – bereitet dem Herrn den Weg
"Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig." So lautet der Wochenspruch aus dem Jesajabuch, der uns in der Woche ab dem dritten Adventssonntag begleiten soll.
Wie bereite ich dem Herrn den Weg? Ich habe doch gar keine Zeit. „Nur Stress in dieser Adventszeit. Man kommt gar nicht zur Ruhe“, sagte mir eine Frau unter der Woche beim lebendigen Adventskalender.
Wir sind nur unterwegs in der Adventszeit, der vorweihnachtlichen Zeit. Ähnlich wie die Hirten. Sie sind sehr interessante Figuren. Ich habe vor vielen Jahren eine Pyramide von meiner Uroma geschenkt bekommen. Dort befinden sich in der Mitte Maria, Josef und das Jesuskind, das in der Krippe liegt. Sie sind fest platziert. Die Hirten wiederum sind auf dem Teil der Pyramide, der sich immer dreht. Sie drehen sich, wenn ich die Kerzen anzünde, permanent um die Heilige Familie.
Die Hirten auf der Pyramide sind also permanent unterwegs, sie kommen nie an der Krippe an. Irgendwie komisch.
II. Was denken die Hirten unterwegs?
Nun liegt es in der Natur der Pyramide, dass die Hirten dort gar nicht ankommen können. In der Weihnachtsgeschichte kommen sie ja irgendwann an. Doch was mögen sie gedacht haben, als sie unterwegs waren?
Ich wünschte, ich käme ans Ziel.
Ich wünschte, der Stress wäre irgendwann vorbei.
Ich wünschte, ich könnte leben. Einfach nur leben, in Sicherheit und in Frieden. Ohne Angst.
Ich wünschte, ich könnte auch mal Pause machen.
Ich wünschte, ich wäre nicht so allein.
III. Ich – Wann finde ich Ruhe?
Liebe Leserinnen und Leser,
ans Ziel zu kommen, weniger Stress, ohne Angst zu leben in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, Pausen zu haben, nicht allein zu sein.
Auch unser Leben fühlt sich oft so an, als seien wir auf einer Pyramide. Es läuft irgendwie, aber vieles ist fest, hat sich vielleicht ungewollt so eingependelt, die Zeit fehlt.
Auch die Vorbereitungen für Weihnachten fühlen sich so an, als wäre ich auf einer Pyramide. Wer bekommt welche Geschenke? Was gibt es zu essen? Ist das Haus auch geputzt?
In der Adventszeit, später an Weihnachten soll es schön sein. Das ist auch gut so. Aber wir sollen auch von der Hast des Lebens einmal ruhen.
Wie kommen wir runter von der sich drehenden Pyramide, wann finden wir Ruhe? Wie bereite ich dem Herrn den Weg, um sich in meinem Leben zu zeigen?
Ich denke, das wird nicht gelingen, wenn ich groß denke. Wenn ich komplett zur Ruhe kommen will. Ich schaffe mir in dieser Zeit kleine Inseln, Ruheinseln, Zeiten zum Runterkommen.
Wie das aussieht? Ich lege mich unter unseren großen Tisch im Flur, über uns schimmert der Herrnhuter Stern und meine Tochter hat eine Lampe, die den Sternenhimmel simuliert. Dann spielen wir unzählige Partien Uno und ich merke, wie ich zur Ruhe komme.
Wie sehen Ihre Ruheinseln aus? Ein Weihnachtsfilm mit hochgelegten Füßen auf der Couch? Besuche und Kaffeerunden bei lieben Menschen? Vor dem Kamin mit einem Buch? Ich wünsche Ihnen den Mut, sich Ruheinseln zu nehmen. Und bitte nicht vergessen: die Weihnachtszeit geht auch nach Weihnachten weiter, eigentlich ja erst so richtig los. Wie wäre es mit einer Weihnachtsfeier im Januar?
Eine gesegnete Zeit der Vorbereitung – auf das Kommen des Herrn, wünscht Pfarrer Benjamin Themel
Andacht von Pfarrer Matthias Cyrus zum 2. Advent
Gott lässt mich aufstehen
Vieles entdecke ich in dieser Welt und meinem Leben, was mich klein macht, was mich ängstigt. So viele Fragen bleiben unbeantwortet und in mir spüre ich den Kampf und ich erkenne, dass ich ihn auch oft genug verliere. Resignation macht sich breit und ich würde mich am liebsten verkriechen oder weglaufen.
Ich lebe in einer Welt, die solche Schwächen beiseiteschiebt. Aus eigener Kraft soll ich sie überwinden und spüre doch: Einmal mehr schaffe ich es nicht. All das drückt mich nieder und ich lasse den Kopf hängen.
Jesus gibt seinen Jüngern eine andere Botschaft: Wenn die Angst sich breit macht, wenn das Zittern und Zagen alles bestimmt, wenn die Furcht dir den Boden unter den Füßen wegziehen will – dann verkrieche dich nicht, krümm dich nicht weg, sondern: Erhebe dich! Richte dich auf und erhebe dein Haupt, deinen Blick, weil deine Erlösung, deine Befreiung aus der Angst und den Zwängen der Welt, sich naht! (vgl. Lukas 21,28)
Das Leben, mein Leben, anschauen, wie es ist, mit allen Freuden und allen Tränen, mit Abbrüchen und aller Erfahrung der Heilung – das ist ein adventlicher Weg. Diesem Blick nicht ausweichen, wenn er sich auf die Dunkelheiten richtet – das kann ich tun mit der Zusage Jesu. Ich habe sein Versprechen: Die Dunkelheit wird nicht immer größer, sondern sie wird erhellt von Gott. Nicht Angst und Bedrückung werden siegen, sondern Gottes Liebesmacht mit seiner Erlösung. Bei ihm kann ich aufrecht stehen und meinem Leben ins Auge sehen mit allem Schönen und allem Schweren.
In diese Grundhaltung möchte mich der Advent einüben, wenn er die Zeit gibt zur Besinnung und auch die Botschaft, die diese Besinnung erst möglich macht: Du wirst nicht ins Bodenlose fallen, du bist aufgehoben in Gott selbst. Jeden Tag von neuem bin ich aufgerufen und ermutigt, auf diesem Weg einen Schritt weiter zu gehen, mich zu erheben und meine Dunkelheiten von Gott erhellen zu lassen.
Ich gehe durch die Adventszeit mit der Stimme Gottes im Evangelium: Erhebe dich! Richte dich auf und erhebe dein Haupt, deinen Blick, weil deine Erlösung, deine Befreiung aus der Angst und den Zwängen der Welt, sich naht!
Was drückt mich nieder? Welche Ängste, welche Verzweiflungen haben mich im Griff? Ich halte sie in Gottes Licht, erhebe meinen Blick und weiß mich liebend angesehen von ihm.
Segen
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er stärke uns durch seine Kraft zum ewigen Leben. Amen.
Andacht von Pfarrer Peter Michael Schmudde zum 1. Advent
Dass Dein Herz erwacht
Liebe Leserin, lieber Leser,
für die meisten von uns ist Weihnachten das Fest, das uns ein bisschen wieder in die Zeit versetzt, als wir selbst Kinder waren. Und besonders, wenn man es in dieser Zeit der Vorweihnacht im Advent immer noch mit Kindern zu tun hat, dann kommt mit dem Aufflammen der ersten Sterne und Schwibbögen in den Fenstern und an den Häusern und Kirchen ein Stückchen von dem gewesenen Zauber unserer ersten Jahre wieder. Ich nenne es für mich immer die „Advents-Anarchie“, denn neben allem, was die ach so kurze Adventszeit an Extrastress und Hektik mit sich bringt – kaum einer von uns kann sich dem entziehen.
Es ist gut, sich in dieser Zeit an dieses Kinderstaunen zu erinnern und sich von der Vorfreude der Kleinen anstecken zu lassen. Es ist vor allem deswegen so gut, weil es von Gottes völlig unerwartetem Handeln in der Welt erzählt: Der, von dem die meisten eine doch recht kriegerische Vorstellung haben – „Der Herr kommt gewaltig!“ – macht es nun doch ganz anders. Er kommt in einem neu geborenen Kind zur Welt, setzt sich den Menschen aus. Er tut das in der Weise, wie jedes Menschenkind - und auch wir – zu allen Zeiten auf der Welt angefangen hat: Abhängig von der Liebe der Menschen, die ihn umgeben, und ausgesetzt all dem, wie die Welt ist.
Und ob das gewaltig ist! Jeder, der diese Nachricht hört, soll sich rufen lassen, diesem Menschenkind mit der Liebe zu begegnen, mit der jeder von uns seinen Weg ins Leben gefunden hat.
Diese Nachricht von Gottes Ankunft in der Welt – sie erreicht uns auch heute. Es ist eine Welt, die uns manchmal und ganz oft inzwischen das Fürchten lehrt. Gerade dort ist es um so wichtiger, dass die für alle Menschen grundlegende Liebe ihren Platz finden darf – unter den widrigsten Umständen soll sie sich Raum greifen. Unser Herz soll aufwachen, dass wir unser Menschsein in Gottes Menschwerdung erleben und in uns aufnehmen. Für die kommenden Wochen und für das nahende Fest kann das ein guter Auftrag sein. Kommen Sie alle gut an in dieser guten Zeit!
Andacht von Superintendent Christian Beuchel zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres
Richtig Streiten
Oma Herta zerbricht sich seit Tagen den Kopf. Was wollen wir zu Weihnachten essen? Die Enkeltochter Claudia kommt aus Dresden zu Besuch. Oma freut sich sehr, aber Claudia ist seit einiger Zeit Vegetarierin. Den Gänsebraten wird sie nicht mitessen. Opa Herbert schimpft, so ein Quatsch. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.
Beim Frühstück am Arbeitsplatz schimpft Klaus. Die Ausländer sollen alle raus, zurück in ihr Heimatland. Sie kosten zu viel, belasten den Staat und außerdem bringen sie eine neue unbekannte Kultur mit. Sein Frau ängstigt sich im Park am Abend, wenn es dunkel ist.
Rainer, der mit am Tisch sitzt, sagt nicht laut, aber denkt. Wenn alles Ausländer raus sind, wer pflegt denn meine Mutter im Altenheim und warum sie nicht arbeiten lassen, wo doch schon wieder eine Gaststätte wegen Personalmangel geschlossen hat. Dann geht Kollege Frank im nächsten Jahr in Rente geht, wo finden wir neue Arbeitskräfte? Und schnell mal zum Döner in der Mittagspause ist dann auch nicht mehr möglich.
Beim Geburtstagskaffee bei Tante Heidrun wird es plötzlich laut. Den Bürgergeldempfängern geht es allen zu gut. Sie sind zu faul zum Arbeiten und leben auf Kosten der anderen Steuerzahler, tönt Onkel Gert.
Marie, sein Nichte, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern wird ganz ruhig. Sie kann mit den zwei Kindern nur stundenweise arbeiten und ist froh, dass es Bürgergeld gibt. Der Vater der Kinder zahlt nur unregelmäßig und oft ist das Geld am Ende des Monats knapp. Sie hat Angst, dass das Bürgergeld gekürzt wird oder die Firma ihr kündigt und sie dann ganz auf Hilfe angewiesen ist, die nicht reicht.
Die drei Szenen kommen in unserem Land immer wieder vor. Und auch, dass der Lauteste meistens das Wort hat und die anderen, die eine andere Meinung haben, verstummen.
Streit ist oft notwendig und dient zur Klarheit. Aber wie können wir Christinnen und Christen gut Streiten?
Ich finde bei Paulus im Römerbrief 14 gute Ratschläge, wie die Christinnen und Christen, aber auch alle Menschen mit den unterschiedlichen Meinungen umgehen sollen.
1. „Den Schwachen im Glauben nehmt an…“ Bei allem Streit auf die blicken, die am schwächsten sind, die nicht durch lautes Geschrei auffallen. Wir sollen, die wahrnehmen, die sich nicht getrauen ihre Meinung laut zu sagen.
2. … und streitet nicht über Meinungen.“ Keine menschliche Meinung ist die absolute Wahrheit. Jeder der Diskussion behaupte, seine Meinung ist die Wahrheit, sollte zurückschrecken und still werden. Wir reden über Meinungen und versuchen uns der Wahrheit anzunähern und können unterschiedliche Auffassungen nebeneinanderstehen lassen. „Ein jeder sei seiner Meinung gewiss.“ schreibt Paulus. Natürlich hat jede Meinung ihr Recht gehört zu werden und jeder sollte um eine Meinung ringen. Nur, wenn Meinung und Wahrheit gleichgesetzt werden, wird es unerbittlich. Davon sollten wir uns fernhalten.
3. „Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ Ich finde diesen Satz wunderbar, weil er uns zeigt, wir sind bei allen unterschiedlichen Meinungen in Christus geborgen. In allem Streit sind wir mit ihm verbunden. Der Glaube hält dich und mich zusammen. Das Vertrauen in Gott zu leben, das hält unterschiedliche Meinungen aus. Christus in uns, mit uns, über uns und neben uns und manchmal auch unter uns, das sollten wir in allen Konflikten und Auseinandersetzungen nicht vergessen. Wir leben wir in Christus im Streit und in der Versöhnung. Er ist der Kitt, der uns zusammenhält, in ihm sehen wird, dass wir Ebenbilder Gottes sind, in jedem Menschen erkennen wir Gott. Jeder Mensch hat Würde und ist mit Respekt zu behandeln ist. Trotz unterschiedlicher Meinungen.
So wird Oma Herta, die oft in den Gottesdienst geht und ihre Enkelin Claudia liebt, einen zweiten Topf auf den Herd stellen und ein schmackhaftes veganes Gericht zaubern.
Klaus wird hören, was Frank sagt, sie werden sich nicht einig sein, bleiben doch Arbeitskollegen, die sich helfen und unterstützen.
Onkel Gert wird verstehen, dass Marie Unterstützung braucht für sich und ihre Kinder und es eben nicht gerecht ist, alle Bürgergeldbezieher als faule Drückberger zu beschimpfen.
Christian Beuchel
Superintendent Ev. Kirchenkreis Mühlhausen
Andacht für den Reformationstag von Pfarrerin Annemarie Sommer
„Alles wird gut…!? - Echt?“ – JA!
Ich kann diesen Satz nur schwer hören. Oder ich höre ihn und gehe innerlich trotzdem an die Decke. „Alles wird gut.“
Ich habe diesen Satz wohl am meisten in meiner Kindheit gehört. Zum Beispiel, wenn ich mir eine dicke Beule an den Kopf gehauen habe. Oder als ich meinen geliebten Schnuffi (einen Stoffhund) verloren hatte. Wenn der Schmerz so groß war, dass ich mich in die Arme meiner Mama gekuschelt habe. Dann sagte sie auch: „Komm, Anne, alles wird gut.“
Blödsinn, denke ich. Das Knie tut weh! Das Kuscheltier ist weg! Nichts ist gut. Aber getröstet hat es mich doch irgendwie auf geheimnisvolle Art und Weise - dieses „Alles wird gut.“ Und die Beule wurde meist schnell kleiner und meinen geliebten Schnuffi habe ich durch wundersame Weise auch wiedergefunden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Neulich habe ich mich dabei erwischt, dass ich diesen Satz genauso zu meinen Kindern sage, wenn die vor Schmerzen weinen und sich in meine Arme schmiegen. „Alles gut, mein Schatz. Es wird wieder.“ Und ja – ich habe das Gefühl, dass auch sie getröstet werden. Ich vermute es liegt daran: Weil sie mir vertrauen. So wie ich meiner Mama. Auf geheimnisvolle Weise ist da im Innern das Gefühl: Die weiß es. Und ich vertraue ihr. Vielleicht ist es das, was uns tröstet in diesem Moment. Zu spüren, ich bin nicht allein. Zu hören „Alles wird gut.“ Das fühl ich zwar grad nicht, aber der Andere. Und ich vertraue ihm. Und der sagt es mir ins Herz hinein. Der Schmerz ist nicht gleich weg, aber schon ein bisschen weniger in diesem Moment.
„Selig sind…“ Was erzählst du da, Jesus? Frag ich mich, wenn ich diese Sätze aus der Bergpredigt lese. Ich kann sie schwer hören und manchmal geh ich auch bei ihnen innerlich an die Decke. „Selig/Glücklich sind.“ Das klingt wie „Alles wird gut.“
Ist das so? Es gibt Tage, da habe ich eher das Gefühl, dass alles den Bach runtergeht. Und die Armen sind nicht selig und die Traurigen erst recht nicht. Arm ist arm und traurig traurig. Und die Ärmeren werden meist ärmer und die Traurigen haben wenig Hoffnung. Aber es geht noch weiter. „Selig sind die Sanftmütigen.“ Ich finde gerade die haben es momentan nicht leicht. Worte der Versöhnung, des Bedachtseins sind schwer in diesen Zeiten. Mut zur Sanftheit ist nicht erwünscht. Wer am lautesten brüllt, hat Recht. Jeder pocht auf seiner Wahrheit und die liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Jesus, du bist echt weltfremd und verrückt, wenn du sowas sagst. „Selig sind…“
EBEN! sagt Jesus. Deswegen sag ich es ja. Traurige werden Trost erfahren. Friedliche werden federführend sein. Das Hassgebrüll wird leiser werden. Gerechtigkeit wird groß. Die Sanftmutigen mutiger. Die mit reinem Herzen werden gestärkt werden. Gutes wird siegen. Alles wird gut. Das ist mein Plan. Und er wird kommen. Es wird gut werden. Für euch. Ich weiß es.
Jesus, wenn du das sagst, dann klingt es anders. Ich verstehe noch nichts davon. Ich fühle nur meinen Schmerz. Ich sehe nur, was alles nicht geht. Dein „Alles wird gut.“ dringt aber leise zu mir durch. Wenn ich es auch nicht fühle. Du weißt es. Und ich vertraue dir. Das tröstet mich. Auf geheimnisvolle Art und Weise. Es macht den Weltenschmerz nicht weniger. Aber gibt mir die Hoffnung, dass es anders sein kann. Und anders geht. Und gut werden wird. Dass die Welt, von der du sprichst, am Ende in deinem Reich endet.
Wenn du das so sagst, Jesus, dann beginne ich zu träumen. Der Schmerz ist noch da. Aber in mir bewegt sich was. Ich bekomme direkt Lust: zu trösten, die Wahrheit weiter zu suchen und auszusprechen, Mut zur Sanftheit zur haben, mich für Gerechtigkeit einzusetzen, dem Frieden nachzujagen, barmherzig zu sein mit Anderen und mit mir selbst. Aber mit ganzem Herzen. Es geht. Aus deiner Kraft. Aus deinem Trost.
So muss es wohl auch Martin Luther gegangen sein. Damals vor über 500 Jahren. Als er von deiner Kraft und deinem Trost bewegt war, etwas zu verändern. Missstände anzusprechen. Es kann anders werden. Verträumt, verrückt, geheimnisvoll war das und ja – getröstet durch dich. Das möchte ich auch sein – und bleiben. Also schmieg ich mich heute in deine Arme und lass mir sagen: „Alles wird gut.“ Amen.